Andacht

Herzlich eingeladen

von Birger Falcke

Foto: Daniela Knipper

Über den Predigttext zum Sonntag Septuagesimä: Matthäus 9,9-13

Predigttext
9 Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. 10 Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11 Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12 Als das Jesus hörte, sprach er: Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. 13 Geht aber hin und lernt, was das heißt: „Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer.“ Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.

Dieser Jesus! Einfach ein sozialer Typ. Dem ist es wichtig, für andere da zu sein, egal was die ver-meintlich wichtigen Leute dann von ihm denken. Der lässt die liegen, die ein hohes gesellschaftliches Ansehen haben. Er isst stattdessen mit denen, die als moralisch verdorben oder religiös unrein gelten, mit Zöllnern und Sündern. Mit Ehebrechern, Prostituierten, Dieben, Sabbatübertreterinnen und all den anderen, die den Pharisäern zuwider waren. An anderen Stellen wendet er sich auch den Armen zu, Kranken, Entrechteten, Unterdrückten. Dem kleinen Mann und der kleinen Frau. Was ein Typ!

Wie oft man dieses Bild von Jesus trifft! So oft, dass die Zöllner schnell unter den Tisch fallen. Denn man braucht schon einige Anstrengung, um Zöllner in dieses Bild einzupassen. Ja, sie waren schlecht angesehen und standen somit am Rand der Gesellschaft. Aber nein, sie waren nicht arm, übermäßig krank, entrechtet oder unterdrückt. Sie gehörten nicht zum „kleinen Mann“, wie eine Prostituierte oder mancher Dieb, der vielleicht stahl, um seine Kinder zu ernähren. Sie arbeiteten vielmehr für den römischen Staat, trieben Geld ein und zwar häufig so viel, dass sie selbst einiges für sich rausschlugen, mehr als nötig gewesen wäre – so das Bild, das immer wieder im Neuen Testament begegnet.

Die Zöllner aus den Evangelien und Zollbeamte von heute sind etwas ganz anderes. Das Image der Zöllner damals gleicht eher dem Image von heutigen Hedgefondsmanagern, Reichen, die versuchen, Steuern zu vermeiden oder Topmanagerinnen, die immer höhere Boni haben wollen. Menschen, die andere ausnehmen, um selbst immer mehr zu haben. Bestimmt gibt es viele Topmanager, die gute Menschen sind, aber doch ist ihr gesellschaftliches Image oft negativ – obwohl sie von dem einen oder der anderen bewundert oder beneidet werden, zumindest heimlich.

Klar, auch unter diesen Menschen gibt es geistliche Armut, innere Not, Gefühle von Unterdrückung und so weiter. Man kann diese Begriffe im übertragenen Sinn benutzen und da ist etwas Wahres dran. Aber doch ist es etwas ganz anderes als das sozialromantische Bild von Jesus und den Armen. Jesus isst mit Reichen, mit Zöllnern, Hedgefondsmanagern, Steuervermeiderinnen und Topmanagern, die immer mehr Boni haben wollen.

Man stelle sich vor, die Ratsvorsitzende der EKD würde diese Runde zum Essen einladen und am nächsten Tag stände es in allen Medien. Gäbe es Rücktrittsforderungen? „Bei einer sozialen und moralischen Instanz wie der Kirche kann so etwas doch nicht angehen! Ein Skandal!“ Man erinnere sich an die kirchliche Hochzeit von Christian Lindner und Franca Lehfeld. Vielleicht war die Aufregung auch deshalb groß, weil die sozialpolitischen Ideale von Christian Lindner in den Augen vieler andere sind als die Ideale der Kirche.

Jesus isst mit solchen Menschen. Aber eben auch mit Ehebrechern, Prostituierten, Dieben und Sabbatübertreterinnen. Der reiche Steuervermeider sitzt an demselben Tisch, wie die, die mit Sexarbeit über die Runden kommt. Jesus isst und verbringt Zeit mit all denen, die an den Rändern der Gesellschaft stehen. Und sie kommen von ganz unterschiedlichen Rändern, von oben und unten, von rechts und links.

Als er dann gefragt wird, warum er mit Zöllnern und Sündern isst, da antwortet er: „Nicht die Starken bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.“ Damit sagt er auch: Ja, Zöllner und Sünder, die sind krank und brauchen einen Arzt. Das moralisch Anrüchige bleibt bei Jesus moralisch anrüchig. Aber: Keiner muss bei Jesus erst ein moralisches Mindestmaß erreichen, um mit ihm essen zu dürfen.

Jesus geht den anderen Weg: Er isst mit allen, die sich von ihm einladen lassen. Manche veränderten daraufhin ihr Leben, folgten ihm sogar nach, andere ärgerten sich darüber.

Gebet:

Du, wir haben unsere Bilder, wem du dich zuwendest und wem nicht. Wir haben unsere Vorstellungen, für wen Kirche ihre Türen öffnen sollte und für wen nicht. Du aber lädst alle ein. Das klingt schön, aber wenn ich das ernst nehme, ist das auch schwer für mich. Das stört mein Denken, meine Urteile, meine Vorstellungen. Hilf mir und hilf uns! Amen.