Andacht

Das Treueversprechen

von Björn Kruschke

Foto: Orlando Florin Rosu

Über den Predigttext zum Sonntag Lätare: Jesaja 54,7-10.

Predigttext
7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. 8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der Herr, dein Erlöser. 9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will. 10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.

Nach dem Abendmahl sprach ich Jesaja 54,10. Im Halbkreis vor dem Altar standen die Gottesdienstfeiernden: „Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.“

Ich sah, wie einer Frau Tränen in den Augen standen. Am Ausgang erzählte sie mir, dass dieser Vers sie an ihren verstorbenen Mann erinnert habe. Es war ihr Trauspruch.

So berührt, angesprochen werde ich von Gottes Wort nur, wenn es mich aufhorchen lässt. Dieser Vers ist dann nicht irgendein Vers. Es ist dann mein Vers, das Wort Gottes für mich. Gott erbarmt sich dann meiner und selbst wenn Berge weichen und Hügel hinfallen, seine Gnade weicht nicht von mir und sein Friedensbund steht fest. Fester als alles, was Menschen kennen, weil er sich erbarmt. Kraftvoll und liebestoll wendet sich Gott in diesem Vers Jerusalem zu, die in den Versen zuvor als Frau Zion angesprochen wurde. Gott als Ehemann kehrt sich in diesem Bilder wieder seiner Frau Jerusalem zu.

Dieser Vers meint letztlich alle Menschen, nicht nur Israel in der Frau Jerusalem personifiziert. Genauso wie der Bund Noahs nach der Sintflut allen Menschen gilt: „Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe.“ (1. Mose 9,11)
„Der Bund meines Friedens“ heißt der einseitig von Gott geschlossene Vertrag. Von meiner Seite bleibt der Bund stehen, sagt Gott. Wenn in der Bibel von Frieden gesprochen wird, meint Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg, was uns heute durch den Krieg gegen die Ukraine allein schon ein Herzenswunsch ist. Frieden im biblischen Sinn ist ein alles umfassender Friede; mit den Mitmenschen, mit der Schöpfung, mit mir und mit Gott.

Dieser Vers stammt aus einem großen Versprechen, das der Prophet Jesaja Israel gibt. Die durch Krieg zerstörte Stadt Jerusalem soll wieder aufgebaut werden – schöner als je zuvor, sogar schöner, als man sich das überhaupt vorstellen kann. Das alles und noch viel mehr gehört zu Gottes Bundestreue.

Als Christen verstehen wir uns als adoptierter Teil des Volkes Gottes. Wer sich taufen lässt, wird als Gottes Kind adoptiert. Gott wird uns niemals verlassen, sondern immer an diesen Bund denken, was auch immer geschehen wird.

Der zweite Jesaja wählt für das Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk das Bild einer Liebesbeziehung. Israel, die Frau in dem Bild, hat in ihrer Jugend nicht dieser Beziehung angemessen gelebt und hat die Verlassenheit von Gott erfahren. Israel fühlte sich als Witwe, als hätte es Gott verloren. Aber Gott steht zu seiner Liebe. Er eröffnet neue Wege, wo die alten an ihr Ende gekommen waren, auch in der Situation des Exils.

Denn die wichtigste Botschaft heißt: Gott ist da, auch in der Fremde. Auch in den dunklen Lebenssituationen. Er ist nicht nur da, wo es den Menschen gut geht, wo sie zuhause sind. Glück und Geborgenheit sind nicht mehr die Kennzeichen der Anwesenheit Gottes. Gott begleitet in jeder Lebenssituation. Er bewahrt nicht vor Leid, aber im Leid gibt er die nötige Kraft, um es zu tragen.

Die größte Lebensgefahr im Leiden besteht darin, dass man sich von allem zurückzieht und sich im Schmerz abkapselt. Gott will sein Volk, seine Menschen aber gerade in diesen gefährlichen Situationen nicht allein lassen.

Die unverrückbare Zuwendung Gottes, die fester steht als Berge und Hügel, tröstet auch, wenn Beziehungen zerbrechen. Gott ist da und bleibt da. Nun kommt es darauf an, diesen Bund von unserer Seite auch zu aktivieren. Zu einem Vertrag gehören zwei Parteien, die ihn unterschreiben, damit er gültig wird. So kommt es für mich darauf an, Gott unser Leid, unseren Schmerz im Gebet hinzuhalten, damit sein Friede heilen kann, was bei uns rau und wund ist.

Gebet

Barmherziger Gott, wir haben die Bilder im Kopf von der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien, wo Bergen wichen und Hügel hinfielen. Der Boden unter den Füßen, den wir für fest und unerschütterlich hielten, wankte und brachte Zerstörung und Tod. Wahrhaft unerschütterlich hingegen ist deine Treue. Lass unser Glaubenshaus auf dir ruhen. Amen.

Björn Kruschke (51) ist Pfarrer in den lutherischen Kirchengemeinden Detmold und Hiddensen.