von Dr. Frank Dieckbreder
Zum Vorletzten Sonntag des Kirchenjahrs: Matthäus 25,31-46.
Predigttext
31 Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sich setzen auf den Thron seiner Herrlichkeit, 32 und alle Völker werden vor ihm versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, 33 und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. 34 Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! 35 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. 36 Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen und ihr seid zu mir gekommen. 37 Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben? Oder durstig und haben dir zu trinken gegeben? 38 Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen? Oder nackt und haben dich gekleidet? 39 Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen? 40 Und der König wird antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. 41 Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! 42 Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. 43 Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht. 44 Dann werden auch sie antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? 45 Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. 46 Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.
Wenn jemand sein oder ihr Berufsleben lange in der Diakonie verbracht hat, bekommt dieser Mensch nach 25 Jahren ein goldenes Kronenkreuz als Auszeichnung. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist dieser Mensch mit dem Bibeltext vom Weltgericht konfrontiert. Genauer mit einem Satz daraus, der fast in der Mitte steht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Dieser Satz steht auf dem Umschlag der Begleiturkunde (dort steht Geschwister statt Brüder), die mit dem Kronenkreuz verliehen wird.
Als Vorstand eines Diakonischen Trägers habe ich das Privileg, jedes Jahr Kronenkreuze an langjährige Mitarbeitende verleihen zu dürfen. Und in jedem Jahr setze ich den Satz in den Kontext des Predigttextes.
Offen gestanden unterschlage ich dabei gemeinhin den zweiten Teil. Dieser ist mit seiner Bedrohung auch nicht notwendig, zumal es ja schließlich ein Jubeltag ist.
Vielmehr geht es darum, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen den vielen kleinen und großen Momenten nachzuspüren, in denen sie Gott in einem anderen Menschen durch eine gute Tat berührt haben. In diesen Situationen wird es immer ganz still. Manchmal fließen auch Tränen. Gott ist ganz nah.
Man muss nicht für die Diakonie arbeiten, um diese Gottesnähe zu erfahren. Jedes Ereignis mit einem anderen Menschen ist Anlass, sich so oder so zu verhalten. Wenn ich dem oder der Nächsten begegne und darauf vertraue, dass Gott in diesem Menschen ist, wie will ich dann dieser Person entgegentreten?
Die Antwort auf diese Frage ist leicht, die Tat hingegen oft schwer. Manche Menschen machen es einem schlicht schwer, freundlich zu bleiben. Doch hinter jeder Wut steckt eine Angst, die Gott zu überwinden versprochen hat. Dieses Versprechen kann in jeder Begegnung eingelöst werden, wenn es uns gelingt, die Gebrauchsanweisung aus dem ersten Teil des Bibeltextes zum Kompass werden zu lassen.
Gütiger Gott, wir leben in schlimmen Zeiten. Menschen stehen sich mit Waffen gegenüber, weil sie meinen, der Nächste sei der Feind. Gib uns Menschen Kraft für Frieden, im Großen und im Kleinen, der durch dich in jedem von uns ist. Amen.
• Dr. Frank Dieckbreder (52) Vorstand und Vorstandssprecher des Diakonieverbunds Schweicheln e. V. und Honorarprofessor an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld-Bethel.