Andacht

Bergauf, bergab durchs Leben

von Dr. Moritz Gräper

Foto: Michael

Über den Predigttext zum Letzten Sonntag nach Epiphanias: Matthäus 17, 1-9

Predigttext
1 Sechs Tage später nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes mit sich. Er führte sie auf einen hohen Berg, wo sie ganz für sich waren. 2 Da veränderte sich sein Aussehen vor ihren Augen: Sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden strahlend weiß wie Licht. 3 Da erschienen Mose und Elija vor ihnen und redeten mit Jesus. 4 Petrus sagte zu Jesus: „Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich drei Zelte aufschlagen: eins für dich, eins für Mose und eins für Elija.“ 5 Noch während Petrus redete, legte sich eine Wolke aus Licht über sie. Da erklang eine Stimme aus der Wolke: „Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude. Hört auf ihn!“ 6 Als die drei Jünger das hörten, warfen sie sich nieder und fürchteten sich sehr. 7 Jesus ging zu ihnen und berührte sie. Er sagte: „Steht auf. Fürchtet euch nicht!“ 8 Als sie aufblickten, sahen sie nur noch Jesus. 9 Während sie vom Berg herabstiegen, schärfte Jesus ihnen ein: „Erzählt keinem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten auferweckt
worden ist.“
(Übersetzung: BasisBibel)

Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Das sagen viele so und das sagt sich leicht. Aber den richtigen Zeitpunkt zu finden, bewusst eine Karriere, einen Lebensabschnitt oder ein liebgewordenes Engagement zu beenden, ist alles andere als einfach. Es ist eine Kunst.

Genauso herausfordernd ist es, mit Situationen umzugehen, wenn Schönes planmäßig oder noch schlimmer plötzlich, ohne eigenes Zutun und vielleicht sogar gegen die eigenen Wünsche endet. Nach einem erholsamen Urlaub wieder im Alltag ankommen. Zwei Wochen Gemeinschaft und erfüllte Tage auf einer Freizeit erlebt haben und dann zurück in die Schule. Den besten Kumpel verabschieden, weil er wegzieht.

Oder ganz existenziell: Eine wichtige Beziehung zerbricht, eine schwere Diagnose nimmt dem Leben die Leichtigkeit oder der plötzliche Tod eines geliebten Menschen zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Ein häufiger Reflex im Angesicht eines sich anbahnenden Endes, eines drohenden Abschieds ist festhalten. Festhalten an dem, was ist. Weil es schön ist und bleiben soll.

In der Geschichte der Verklärung Jesu wollen die drei Jünger, denen dieses besondere Erlebnis der Erscheinung Mose und Elijas neben dem vor Licht strahlenden Jesus vergönnt ist, Zelte aufschlagen, um die Erfahrung einzufangen und festzuhalten. Zu schön ist es, dass plötzlich klar ist, dass alles wahr ist. Jesus ist der Christus. Sogar die göttliche Stimme aus den Wolken sagt es: „Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude. Hört auf ihn!“ Und dann ist die Erscheinung vorbei, Jesus fordert die Jünger auf, wieder ins Tal mitzukommen.

Von den Höhen ins Tal und wieder hoch ist eine Bewegung, die keinem Lebensweg fremd ist. So ist eben unser Leben. Mal muss ich selber entscheiden, wann es Zeit ist für den Abstieg, mal werde ich aufgefordert, mal kommt er plötzlich. Mal lässt der nächste Höhepunkt lange, für manche zu lange auf sich warten.

Wie die Jünger will ich meist den Moment auf den Höhen des Lebens am liebsten einfrieren, um in diesem wunderbaren Gefühl der Erfüllung zu bleiben.

Im Leben geht es aber immer irgendwann weiter. Für eine Zeit kann das traurig sein, das Bewusstwerden, dass nichts bleibt, wie es ist. Aber Gott sei Dank kann ich im Nachhinein doch oft erkennen, dass es auch gut ist, dass mein Weg in dieser Welt und mit Gott dynamisch ist. Runter ins Tal, die intensive Erfahrung auf der Höhe als kraftvolle Erinnerung mitnehmen, Dankbarkeit empfinden und offen sein für den nächsten Aufstieg und die Euphorie, die Petrus, Jakobus und Johannes packte bei der Verklärung Jesu.

Aufhören, wenn es am schönsten ist? Ja. Und dann: Ermutigt das Tal durchschreiten und wissen, dass Schönes vor mir liegt. Ich sehe es vielleicht noch nicht, aber es kommt.

Die Jünger konnten nicht wissen, dass schon bald nach Verklärung und der Rückkehr in den Alltag eine noch viel tiefere Erfahrung auf sie warten würde. Jesu Tod am Kreuz wird ihnen für drei Tage jegliche Gewissheit nehmen. Und das leere Grab schenkte dann so viel und so kraftvoll Zuversicht und Hoffnung, dass es bis heute für uns reicht.

Und was schon der Psalmbeter lange vor Jesus ausdrückte, ist bis in die Gegenwart der Schlüssel für Vertrauen ins Leben: „Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn du bist bei mir.“ Gott ist und bleibt bei mir auf den Höhen und in den Tälern, beim Abstieg und wenn es wieder bergauf geht.

Gebet:

Lieber Gott, schenke mir Erfahrungen im Leben, die mich Fülle und Segen erleben lassen, wie bei den Jüngern auf dem Berg mit Jesus. Gib mir die Gelassenheit, mit Zeiten getrost umzugehen, die wenig Höhen zu bieten haben. Sei mit mir in den Tälern, in der Sorge, wenn ich Angst habe und in der Trauer. Vertraue ich dir, gehe ich mutig durchs Leben. Amen.

Dr. Moritz Gräper (36) ist Pfarrer der Auferstehungs-Kirchengemeinde und Geschäftsführer des Jugend- und Bildungswerks im Evangelischen Kirchenkreis Münster.